1. Die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen angemessener wirtschaftlicher Verwertung setzt einen erheblichen Nachteil unmittelbar beim Vermieter voraus. Ein Nachteil bei einer mit der Vermieterin persönlich und wirtschaftlich verbundenen Person reicht nicht aus.
  2. Der Abriss eines Gebäudes zur Errichtung eines Neubaus mit Gewerbeeinheiten stellt eine angemessene wirtschaftliche Verwertung dar.
  3. Auch bei der Verwertungskündigung muss sich der Nutzungswunsch soweit „verdichtet“ haben, dass eine baldige Umsetzung der Nutzungspläne angenommen werden kann.

BGH, Urt. v. 27.09.2017 – VIII ZR 243/16

 

 Zum Sachverhalt:

Die Vermietungs-GmbH & Co. KG ist Eigentümerin eines Anwesens, welches sie an eine Schwester- GmbH & Co. KG vermietet hatte, welche dort ein Modegeschäft betrieb. Der Geschäftsführer war dieselbe Person. Die Vermietungs-GmbH & Co. KG erwarb das Nachbaranwesen und kündigte dem dortigen Wohnungsmieter mit der Begründung, sie beabsichtige, das Wohngebäude abzureißen, um an dessen Stelle einen Neubau zur Erweiterung des Modegeschäfts mit Gewerbeeinheiten zu errichten. Nur durch den Abriss und den Neubau sei eine wirtschaftliche Verwertung des Nachbargrundstücks möglich. Durch die Verpachtung an das Modegeschäft sei ein deutlich höherer Ertrag zu erzielen.

 

Aus den Gründen:

Ohne Erfolg! Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die ordentliche Kündigung unwirksam. Es fehle am berechtigten Interesse des Vermieters. Zwar stelle der Abriss eines Gebäudes, um ein Objekt mit Gewerberäumen zur Erweiterung des benachbarten Modegeschäfts zu errichten, eine angemessene wirtschaftliche Verwertung dar. Eine wirtschaftliche Verwertung liege auch dann vor, wenn das Wohngebäude zunächst abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden solle, der dann veräußert oder vermietet werden solle. Eine solche Verwertung sei auch angemessen. Auch habe sich der Verwertungswunsch bereits soweit verdichtet, dass ein konkretes Interesse an der alsbaldigen Umsetzung der im Kündigungsschreiben dargelegten Pläne angenommen werden könne. Anders als die Vorinstanzen jedoch hat der BGH das Bestehen erheblicher Nachteile auf Seiten des Vermieters bei Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses verneint. Allein der Wunsch zur Gewinnoptimierung reiche nicht aus, es müsse aber auch kein Existenzverlust drohen. Auf jeden Fall müssten die erheblichen Nachteile beim Vermieter selbst eintreten. Anders als bei einer Eigenbedarfskündigung, bei der ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses (auch) bestehe, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung nicht für sich, sondern für einen  Familienangehörigen benötige, seien bei der Verwertungskündigung im Rahmen der „erheblichen Nachteile“ allein solche zu berücksichtigen, die dem Vermieter selbst entstehen. Deshalb hätte das Berufungsgericht nicht auch die Belange der das Modegeschäft betreibenden Gesellschaft berücksichtigen dürfen.

 

Praxishinweis:

Die rechtlichen Anforderungen an eine Verwertungskündigung eines Wohnraummietvertrages sind und bleiben in der Praxis sehr hoch, wenn auch die BGH-Entscheidung etwas mehr Klarheit geschaffen hat. Zur wirtschaftlichen Verwertung gehört auch der Abriss eines Wohnhauses zur Errichtung eines gewerblich genutzten Gebäudes. Allerdings ist die Gewinnoptimierung für sich allein genommen kein wesentlicher Nachteil, den der Vermieter in seiner Person erleiden muss.

 

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